Einführung in die krankheitsbedingte Kündigung
Die krankheitsbedingte Kündigung stellt ein sensibles Thema dar, das Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen berührt. Es handelt sich um einen Unterfall der personenbedingten Kündigung und bedarf strenger Kriterien. Denn obwohl das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) einen robusten Schutz für Arbeitnehmer bietet, sind Kündigungen aus gesundheitlichen Gründen nicht völlig ausgeschlossen.
Definition und rechtliche Grundlagen
Im deutschen Arbeitsrecht dürfen Arbeitnehmer grundsätzlich nur unter bestimmten Voraussetzungen entlassen werden. Eine personenbedingte Kündigung, darunter auch die infolge von Krankheit, muss durch besondere Umstände gerechtfertigt sein. Eine Abmahnung ist in solchen Fällen nicht notwendig, da hier kein Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten vorliegt, sondern es sich um eine private Angelegenheit des Arbeitnehmers handelt. Die Rechtsprechung betont, dass der Schutz des Arbeitnehmers streng zu prüfen ist, um willkürliche Entlassungen zu vermeiden. Interessanterweise profitieren Arbeitnehmer nur von diesem Kündigungsschutz, wenn sie länger als sechs Monate im Unternehmen sind und der Betrieb mehr als zehn Mitarbeiter beschäftigt.
Unterschied zwischen personenbedingten und anderen Kündigungsarten
Neben personenbedingten Kündigungen gibt es betriebsbedingte und verhaltensbedingte Gründe für eine Entlassung. Diese unterscheiden sich in ihren Anforderungen und sozialen Rechtfertigungen erheblich. Betriebsbedingte Kündigungen beziehen sich auf dringende betriebliche Gründe, während verhaltensbedingte solche aufgrund von Verfehlungen des Arbeitnehmers erfolgen und meist einer vorherigen Abmahnung bedürfen.
Key Facts zur krankheitsbedingten Kündigung
Krankheitsbedingte Kündigungen treten relativ selten auf, da sie strenge rechtliche Voraussetzungen erfüllen müssen. Diese Form der Entlassung muss immer ausgewogen gegenüber anderen Interessen abgewogen werden.
Häufigkeit und Ursachen krankheitsbedingter Kündigungen
In etwa 17,6% der Fehltage sind psychische Erkrankungen der Grund, was ihre zunehmende Relevanz für Entlassungen zeigt [HR-Daten & Fakten]. Der durchschnittliche Krankenstand in Deutschland lag bei 5,5% im Jahr 2023 [HR-Daten & Fakten]. Dies zeigt, dass Fehlzeiten zwar häufig sind, jedoch nicht automatisch zu Kündigungen führen.
Durchschnittliche Krankheitstage pro Arbeitnehmer
Laut Statistik der AOK lag der durchschnittliche Krankenstand 2023 bei 5,5% in Deutschland. Aktuell gibt es wenige spezifische Zahlen zur Anzahl der krankheitsbedingten Kündigungen, aber sie gelten als relativ selten.
Voraussetzungen für eine rechtmäßige krankheitsbedingte Kündigung
Um eine Kündigung wegen Krankheit auszusprechen, müssen Arbeitgeber bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Diese werden streng durch die Justiz geprüft.
Negative Gesundheitsprognose
Erforderlich ist eine negative Gesundheitsprognose, die besagt, dass eine dauerhafte Wiedergenesung nicht absehbar ist. Dies kann bei chronischen Erkrankungen der Fall sein, wenn häufige oder lange Abwesenheiten bestehen.
Erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen
Eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen oder wirtschaftlichen Interessen des Unternehmens muss gegeben sein. Dies kann beispielsweise durch die nicht planbare Verfügbarkeit eines Mitarbeiters entstehen.
Interessenabwägung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer
Zuletzt muss eine umfassende Interessenabwägung vorgenommen werden. Dabei werden Faktoren wie Dauer der Beschäftigung, Ursache der Krankheit und betriebliche Alternativen bewertet. Ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) kann vor einer Kündigung eine sinnvolle Alternative sein.
Arten der krankheitsbedingten Kündigung im Detail
Die krankheitsbedingte Kündigung ist eine komplexe Angelegenheit, die sorgfältig durchdacht werden muss. Sie kann sowohl als ordentliche als auch als außerordentliche Kündigung erfolgen. Letztere ist jedoch nur in extremen Fällen zulässig, etwa wenn der Betrieb erheblich beeinträchtigt wird und tarifvertragliche Kündigungsverbote bestehen.
Ordentliche Kündigung wegen Krankheit
Eine ordentliche krankheitsbedingte Kündigung ist die häufigste Form. Sie setzt voraus, dass der Arbeitnehmer entweder häufig oder über einen längeren Zeitraum hinweg erkrankt ist und der Betrieb dadurch erheblich beeinträchtigt wird. Wichtig ist, dass der Arbeitgeber eine negative Gesundheitsprognose und eine Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen nachweisen kann.
Außerordentliche Kündigung und Besonderheiten bei psychischen Erkrankungen
Die außerordentliche Kündigung ist möglich, wenn es sich um außergewöhnliche Umstände handelt und keine milderen Mittel zur Verfügung stehen. Psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Burn-out können bei krankheitsbedingten Kündigungen besonders relevant sein, da sie oft langwierig und unberechenbar sind. Es ist wichtig, dass der Arbeitgeber vor einer Kündigung alle Möglichkeiten des Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) ausgeschöpft hat und nachweisen kann, dass andere Beschäftigungsmöglichkeiten nicht bestehen.
—
Prozess und Dokumentation aus HR-Sicht
Der Prozess einer krankheitsbedingten Kündigung erfordert sorgfältige Dokumentation und Berücksichtigung der gesetzlichen Vorschriften.
Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)
Das BEM ist ein entscheidender Schritt, um eine krankheitsbedingte Kündigung zu vermeiden. Es zielt darauf ab, erkrankte Mitarbeiter nach mehr als sechs Wochen Krankheit langsam wieder in den Betrieb einzubinden. Ohne durchgeführtes BEM wird eine Kündigung oft als unwirksam angesehen.
Checkliste für Arbeitgeber
Bevor eine krankheitsbedingte Kündigung erfolgt, sollte der Arbeitgeber sicherstellen, dass folgende Punkte berücksichtigt wurden:
– Negative Gesundheitsprognose und Interessenabwägung.
– Fehlgleichstellung als tarifvertragliche oder arbeitsvertragliche Klausel.
– Alle Möglichkeiten des BEM ausgeschöpft sind.
Digitale Tools zur Fehlzeitenerfassung und -analyse
Digitale Zeiterfassungssysteme können helfen, Fehlzeiten und Krankheiten genau zu dokumentieren und so die Notwendigkeit einer Kündigung besser nachvollziehbar zu machen. Diese Systeme erleichtern es auch, potenzielle betriebliche Beeinträchtigungen frühzeitig zu erkennen und Maßnahmen zu ergreifen.
—
Präventionsmaßnahmen und Alternativen zur Kündigung
Um krankheitsbedingte Kündigungen zu vermeiden, gibt es verschiedene Strategien, die Arbeitgeber nutzen können.
Strategien zur Reduzierung von Fehlzeiten
Ein systematisches BEM und die Implementierung von Gesundheitsprogrammen können Fehlzeiten effektiv reduzieren. Zahlreiche Unternehmen haben gezeigt, dass durch kurzfristige Gesundheitsmaßnahmen signifikant weniger Fehltage auftraten und krankheitsbedingte Kündigungen vermieden werden konnten.
Alternative Beschäftigungsmodelle für erkrankte Mitarbeiter
Stundenreduzierungen oder Versetzungen auf weniger fordernde Positionen sind oft effektivere Lösungen als eine Kündigung. Diese Ansätze können die Attraktivität und Wirtschaftlichkeit des Unternehmens langfristig steigern, indem sie die Rückkehr von erkrankten Mitarbeitern in den Arbeitsprozess unterstützen.
Experteninterview: Präventionsmaßnahmen in der Praxis
In einem Experteninterview betonte Prof. Dr. Jutta Rump vom Institut für Beschäftigung und Employability: „Krankheitsbedingte Kündigungen sollten immer das letzte Mittel sein. Arbeitgeber sind gut beraten, zunächst alle Möglichkeiten der Wiedereingliederung auszuschöpfen.“ Dies unterstreicht die Bedeutung präventiver Maßnahmen und systematischer Ansätze zur Reduzierung von Fehlzeiten und zur Mitarbeiterbindung.
Aktuelle Rechtsprechung und Praxisbeispiele
Die krankheitsbedingte Kündigung ist ein komplexes Thema, das von der Rechtsprechung streng geprüft wird. Hier einige wichtige Aspekte und Beispiele:
Fallstudien aus der Rechtsprechung
In Deutschland ist eine krankheitsbedingte Kündigung nur zulässig, wenn sie durch eine negative Gesundheitsprognose und erhebliche betriebliche Beeinträchtigungen gerechtfertigt wird. Ein bedeutendes Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) stellte fest, dass eine durchschnittliche Erkrankungszeit von weniger als 18,81 Wochen pro Jahr nicht ausreichend ist, um eine Kündigung zu rechtfertigen.
Ablauf der krankheitsbedingten Kündigung
Zur Verdeutlichung des Prozesses bieten Infografiken einen überblickbaren Ablaufplan:
Infografik: Ablauf einer krankheitsbedingten Kündigung
1. Negative Gesundheitsprognose: Nachweis einer dauerhaften Arbeitsunfähigkeit.
2. Betriebliche Beeinträchtigung: Der Betrieb muss erheblich beeinträchtigt sein.
3. Interessenabwägung: Letzte Prüfung der Arbeitnehmerinteressen gegenüber den betrieblichen Interessen.
4. Rechtliche Prüfung: Gerichtliche Bestätigung der Kündigungsgründe.
Interessanterweise zeigt der Fall einer Frau, die aufgrund häufiger Erkrankungen fristlos entlassen wurde, wie wichtig es ist, die gesetzlichen Voraussetzungen strikt einzuhalten und vor einer Kündigung immer alle milderen Maßnahmen wie das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) auszuschöpfen.
Frequently Asked Questions (FAQ) und Fazit
Zum Abschluss sind hier häufig gestellte Fragen zur krankheitsbedingten Kündigung beantwortet:
Häufig gestellte Fragen zur krankheitsbedingten Kündigung
– Was ist die häufigste Form der krankheitsbedingten Kündigung?
Die häufigste Form ist die ordentliche Kündigung, die unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist erfolgt.
– Welche Gruppen haben besonderen Kündigungsschutz?
Schwangere, Schwerbehinderte, Eltern in der Elternzeit und Mitglieder von Betriebsräten genießen besonderen Schutz.
– Wie wichtig ist das BEM für die Vermeidung von Kündigungen?
Das BEM ist entscheidend, da es die Wiedereingliederung von Mitarbeitern nach längerer Krankheit fördert und somit Kündigungen oft vermeidbar macht.
Zusammenfassung der wichtigsten Punkte
Krankheitsbedingte Kündigungen erfordern strenge rechtliche Voraussetzungen. Arbeitgeber sollten vor einer Kündigung alle Möglichkeiten wie das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) ausnutzen, um die Rückkehr von erkrankten Mitarbeitern zu ermöglichen oder alternative Beschäftigungsmöglichkeiten zu prüfen.
In Deutschland lag der durchschnittliche Krankenstand 2023 bei 5,5%, und psychische Erkrankungen verursachen etwa 17,6% der Fehltage[HR-Daten & Fakten]. Unternehmen können durch gezielte Präventions- und Eingliederungsmaßnahmen Fehlzeiten reduzieren und Kündigungen vermeiden, was sich positiv auf die Mitarbeiterbindung und den Betriebsablauf auswirkt.